Zwei Filme zum Umgang mit jüdischem Erbe im ländlichen Raum Hessen

26.01.2020
12:00 - 13:45

Bali Kino

Link zur Veranstaltung

365 Tage Dokumentarfilm

im Großen Bali im Kulturbahnhof

 


Jetzt – nach so viel’ Jahren

Deutschland 1981 / 60 Min.
Regie: Pavel Schnabel, Harald Lüders

Bis 1933 war das idyllische Rhina in Oberhessen ein Ort, in dem mehr als die Hälfte der Dorfbewohner jüdisch waren. Lange Zeit wurde es “Klein-Jerusalem” genannt. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde diese alte jüdische Gemeinde zugrunde gerichtet, und die meisten Juden wurden in Konzentrationslager deportiert.

In Rhina blieb von ihnen nicht mehr als ein verwüsteter Friedhof zurück. 1981 drehte ein Filmteam des Hessischen Rundfunks eine eindrucksvolle Dokumentation über das einst so jüdische Dorf in Hessen. Befragt nach den früheren Nachbarn erzählten die Rhinaer vom friedlichen Miteinander damals.

Die Filmautoren Pavel Schnabel und Harald Lüders suchten aber auch nach überlebenden jüdischen Rhinaern, um so von ihren Erinnerungen zu hören. Einige trafen sie in New York. Auch sie sind anfänglich zögerlich, wollen nicht gern über die Vergangenheit reden. Doch schnell wird klar, dass sie aus anderen Gründen schweigen. Die Überlebenden schildern ganz andere Ereignisse.

Höhepunkt des Films ist eine emotionale Konfrontation: Die Rhinaer sehen ihre ehemaligen Nachbarn auf der Leinwand wieder und werden konfrontiert mit der verdrängten und so lange verschwiegenen Geschichte. Jahrzehnte nach seiner Entstehung hat dieser mehrfach preisgekrönte Film nichts von seiner Brisanz verloren – im Gegenteil.

Gerade angesichts jüngster Versuche, das nationalsozialistische Verbrechen zu relativieren, und des sich zunehmend artikulierenden Antisemitismus hat dieser Einblick in das kollektive Gedächtnis eines deutschen Dorfes beklemmende Aktualität.

 

Auftauchen

Deutschland 2019 / 44 Min.
Regie: Annika Nesheim

Als 15-Jähriger floh Hans Bär mit seiner jüdischen Familie nach Argentinien. Achtzig Jahre später kehrt er in sein deutsches Heimatdorf zurück und löst damit einen Medienrummel aus. Einzige Person von damals, die noch lebt, und Dorfältester, ist sein alter Schulfreund, der Großvater der Filmemacherin. Anhand von Bildern und Gesprächen in Argentinien und Deutschland wird die Geschichte Hans Bärs fragmentarisch aufgegriffen. Es werden unterschiedliche Sichtweisen der individuellen und kollektiven Geschichtsschreibung auf ihre Inhalte und Leerstellen hin untersucht.