„Ich will dafür sorgen, dass das keinem mehr passiert“


Am Abend des 19. Oktober 2021 wurden zwei Personen im Nordstadtpark angegriffen. Eine Person schwebte kurzzeitig in Lebensgefahr, einer zweiten Person drohte der Verlust des Augenlichts. Die Angreifer haben die Personen aus rassistischen und queerfeindlichen Motiven angegriffen und sich schon während des Angriffs als Neonazis zu erkennen gegeben. Mit Blake, einer der angegriffenen Personen, haben wir über den Vorfall und dessen Folgen gesprochen – aber auch über seinen politischen Kampf gegen Queerfeindlichkeit und Rassismus.

Eigentlich wollten sie am Abend des 19. Oktober 2021 nur einen entspannten Abend mit Freunden verbringen, erzählt Blake. Irgendwann hat sich dann eine Gruppe weißer Männer etwas abseits neben die Freundesgruppe gesetzt. „Da haben wir uns zunächst nichts dabei gedacht, schließlich ist das ein Park – da kommen halt Leute und setzen sich da hin. Wir haben dann aber im Laufe des Abends immer wieder rassistische, sexistische und generell queerfeindliche Äußerungen gehört, die sie unter sich besprochen haben. Daraufhin haben wir sie gebeten, das zu unterlassen. Das wurde von ihrer Seite aus relativiert und ins Lächerliche gezogen, sie haben dann damit einfach immer weiter gemacht.“

Die Freunde haben daraufhin Abstand von den Männern genommen und sind wieder an ihren Platz zurückgegangen. „Die Stimmung wurden aber von der anderen Seite aus zunehmend aggressiv, sodass sie auch anfingen uns persönlich zu beleidigen. Mein Freund ist bisexuell, ich bin trans und Kurde und darauf zielten die Beleidigungen ab. Ich hab dann eben versucht, stellvertretend für die ganze BIPOC und LGBT*- Community darauf zu reagieren. Ich habe in einer ruhigen, emphatischen Weise versucht, das Gespräch zu suchen. Bei den meisten Menschen fehlt es ja oft an Aufklärung und Verständnis. Das hat aber nicht funktioniert“, erzählt Blake weiter.

Die Angreifer waren Neonazis

Im weiteren Gespräch habe sich dann jedoch herausgestellt, dass die aggressiven Männer in der Kasseler Neonazi-Szene vernetzt sind. Zumindest gaben sie das vor, indem sie WhatsApp- Profile von Kasseler Neonazis auf ihrem Handy herumzeigten. Der Angriff ereignete sich dann plötzlich. Als Reaktion auf Blakes Frage, warum sie ihm gegenüber so feindselig seien, schlug einer der Männer mit seiner vollen Bierflasche auf Blakes Kopf ein.

„Mein ganzer Kopf war nass. Da hab ich realisiert, dass ich ja Blutverdünner einnehme und das jeder kleinste Schlag für mich den Tod bedeuten kann. Der dritte Kumpel von uns meinte dann, dass ich wie verrückt blute.“ Die Männergruppe griff währenddessen eine weitere Person der Freundesgruppe ein, welche versucht hatte, Blake zu verteidigen. Ihm wurde mit dem Rest der zerbrochenen Bierflaschen quer durchs Gesicht geschnitten und versucht, die Augen auszustechen.

Der dritte Freund schaffte es schließlich den Notruf zu verständigen. Als Polizei und Rettungsdienst im Nordstadtpark eintrafen – die Angreifer waren bereits geflohen – war die Situation für Blake und seine Freunde aber noch lange nicht vorbei. Als Blake bereits im Krankenwagen saß, habe es noch eine Auseinandersetzung zwischen den Polizist*innen und seinem verletzten Freund gegeben: „Die Polizei hat ihn geschubst. Ich war da nicht mehr dabei, weil ich da schon im Krankenwagen war. Er hat später berichtet, dass sie ziemlich grob wurden in seinem Zustand, wo man ihn wirklich niemals hätte gewalttätig anfassen dürfen.“

Im Krankenhaus nicht Ernst genommen

Anschließend wurden die beiden Verletzen ins Krankenhaus gebracht. Blake schwebte 72 Stunden in akuter Lebensgefahr. Durch die Blutverdünner, die Blake einnimmt, bestand nach dem Angriff die Gefahr von Hirnblutungen. Sein Freund wurde am Auge notoperiert. Er hat noch lange nach dem Angriff doppelt gesehen und einen grünen Schleier im Sichtfeld gehabt.

Im Krankenhaus, so berichtet Blake, haben beide ebenfalls keine guten Erfahrungen gemacht. Das medizinische Personal habe die Verletzungen seines Freundes nicht ernst genommen. Er selbst habe sich auf eigene Gefahr selbst aus dem Krankenhaus entlassen: „Dadurch dass ich auch sehr schlechte Erfahrungen im Krankenhaus gemacht hab, hab ich mich auf eigene Gefahr entlassen. Das war jetzt wahrscheinlich nicht die schlauste Entscheidung von mir. Ich hatte eine Gehirnerschütterung und war da nicht mehr Herr meiner Sinne. Und als ich mich dann den Tag darauf nochmal ins Krankenhaus hab einweisen lassen, weil mir schwarz vor Augen wurde, saßen sie mit verschränken Armen da und haben mir die Behandlung verweigert. Da hab ich gesagt, dass das unterlassene Hilfeleistung ist. Also ich bin gerade hier, mir wird schwarz vor Augen und ich nehme Blutverdünner. Ich wurde belächelt.“

Vor einigen Tagen wollte Blake den Vorfall dann bei der Polizei anzeigen und Hinweise zu den Tätern abgeben. Die Polizist*innen haben ihn ebenfalls nicht ernst genommen, Blake führt das auf Queerfeindlichkeit unter den Polizist*innen zurück. Durch die Scheibe konnte er beobachten, wie sich die Polizist*innen seinen Ergänzungsausweis, der sein trans-Sein bestätigt, anschauten. Dabei hätten sie gelacht und ihr Gesicht verzogen. „Da wurde sich offenbar über meinen Trans-Ausweis lustig gemacht, das war ziemlich eindeutig. Generell hört man ja oft, dass die Leute ungern zur Polizei gehen. Ich persönlich auch, ich hab auch schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht. Weil man dort gerade als Teil einer marginalisierten Gruppe oft ziemlich herablassend und verachtend behandelt wird. Das ist ja auch eine Form der Gewalt.“

Kaum mediale Berichterstattung

Berichtet wurde über den Angriff zunächst nicht – weder in der Lokalzeitung HNA, noch im Blaulichtreport der Pressestelle der Polizei. „Die schreiben jede Lappalie da rein und ein Fall wie unserer wird nicht erwähnt. Das wäre aber wichtig!“, so Blake zur Berichterstattung. Auf der Reclaim-The-Streets-Demo am 29.11.2021, die auf einen rassistischen Angriff auf der Friedrich-Ebert-Straße im August diesen Jahres reagiert hat, hat Blake eine Rede über den Angriff im Nordstadtpark gehalten, um dem Angriff mehr Öffentlichkeit zu verschaffen und auf die rassistische und queerfeindliche Motivation hinzu weisen. „Auch da wurde dann von der HNA ausschließlich von dem Vorfall auf der Friedrich-Ebert-Straße berichtet, was auch gut und richtig ist. Aber alles, was ich gesagt habe, wurde nicht erwähnt.“

Auf die Frage, wie es ihnen heute gehe, antwortet Blake: „Den Umständen entsprechend geht es mir gut. Leider hab ich in meinem Leben schon viel Gewalt erfahren, auch bezüglich des trans- Seins. Wenn das von mir nahestehenden Personen kam, hat mich das sehr verletzt. Deshalb habe ich das jetzt psychisch relativ gut weggesteckt, weil ich mir halt denke: es waren Rechte, von denen kann man erwarten, dass sie Queerfeindlich und rassistisch sind. Das nehme ich mir nicht so zu Herzen. Bezüglich unseres gesundheitlichen Zustands kann man sagen, dass ich in Lebensgefahr war und mein Kumpel hätte sein Augenlicht verlieren können. Die Gefahr ist nun aber vorbei. Ich will aber im Allgemeinen dafür sorgen, dass das keinem anderen passiert.“

Politische Arbeit als Reaktion auf den Angriff

Eine Folge des Angriffs ist, dass Blake wieder politisch aktiv geworden ist: „Ich versuche jetzt entsprechend dafür zu sorgen, dass sich was ändert. Das ist schwer, aber meine Hoffnung ist, dass wir so viele Menschen wie möglich sensibilisieren und auf unsere Seite kriegen.“

Er würde gerne eine Demonstration im Nordstadtpark organisieren und sucht dafür noch Mitstreiter*innen: „Mir ist es wichtig, dass wir jetzt laut werden also als BiPoC und LGBT und das sichtbar machen, was dort passiert ist. Das hätte nicht nur uns treffen können, sondern es kann immer noch jeden treffen. Ich hätte das auch nie erwartet, dass es mich aufgrund meiner Transsexualität und Herkunft etc. trifft, weil das manchmal so weit weg scheint. Aber die Täter sind hier und die sind vernetzt. Egal ob LGBT, queere Menschen oder Cis**- Menschen, keiner darf mehr Gewalt erfahren. Aber halt gerade diese Gruppen, für die ich jetzt gerade stehe, erfahren in letzter Zeit immer wieder Gewalt. Es reicht wirklich und es ist an der Zeit, dass wir entsprechend aktiv werden“.

Wer sich beteiligen will, kann Blake per Email kontaktieren. Er freue sich darüber, wenn Menschen auf ihn zukommen, um sich mit ihm zu vernetzen. Wer unterstützen will, könne sich an der Demo- Organisation beteiligen oder eben an der Demo teilnehmen. Aber auch darüber hinaus gebe es Möglichkeiten, sich gegen Queerfeindlichkeit und Rassismus einzusetzen: „Halt allgemein mit den Verwandten, Freunden und Bekannten ins Gespräch gehen. Viele Menschen, die nicht davon betroffen sind, haben oft keinen Bezug dazu und denen fehlt das Verständnis. Das wäre eine Unterstützung, die allgemein hilfreich wäre.“

*BIPoC (Black, Indigenious and People of Colour) steht für Menschen, die rassistische Diskriminierungserfahrungen machen. LGBT (Lesbian, Gay, Bi- und Trans) steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle und trans Menschen. Trans Personen identifizieren sich nicht oder nur teilweise mit dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht.

** Cis steht für Menschen, die sich mit dem bei der Geburt eingetragenem Geschlecht identifizieren.