Autobahn trotz Klimakrise: Wie es um den Weiterbau der A44 steht


Waldbrände, Dürren, Wetterkatastrophen. Angesichts der wiederkehrenden Berichte über die katastrophalen Folgen des globalen Klimawandels wirkt ein Autobahnbau wie aus der Zeit gefallen. Die Stadt Kassel hat gleich zwei solcher Bauprojekte: Die A49 soll Kassel mit Gießen verbinden, die A44 von Kassel aus Richtung Harleshausen nach Thüringen erweitert werden. Weil die Bauvorhaben ganz und gar nicht dem notwendigen Umdenken in Klima-, Umwelt- und Verkehrspolitik entsprächen, gibt es seit Jahren politischen Widerstand.

Fast das gesamte Jahr 2020 hielten Aktivist*innen den Dannenröder Forst in Mittelhessen besetzt. Mit einem riesigen Polizei- und Materialaufgebot wurde der Wald schließlich geräumt und Anfang Dezember wurde der letzte Baum auf der geplanten Trasse für den Weiterbau der A49 gefällt. Die Besetzer*innen hatten nach der Räumung weiteren Widerstand angekündigt. Neue Besetzungen, wie zuletzt Mitte Februar 2021 im angrenzenden Maulbacher Wald zur Verhinderung einer Stromtrasse für den Autobahnbau, wurden jedoch recht zügig wieder von der Polizei geräumt.

Langsam rückt nun das zweite hessische Autobahnprojekt in den Fokus der lokalen Klimagerechtigkeits- und Umweltbewegung: der Weiterbau der A44 von Kassel Richtung Harleshausen. Das Projekt wurde als Teil des „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit” 1991 beschlossen. Auch Teile dieser Autobahn sind – wie bei der A49 – schon gebaut und es geht konkret um den Bau der letzten Kilometer durch den Stiftswald und das Lossetal.

Dazu müssten laut derzeitigem Planungsstand ca. 41 ha Wald gerodet und weitere 80 ha Acker- und Grünflächen in Anspruch genommen werden. Zusammengenommen werden also knapp 170 Fußballfelder Vegetationsfläche teils mit Asphalt versiegelt, teils wird anderweitig nachhaltig in das bestehende Ökosystem eingegriffen.

Autobahnbau angesichts der Klimakrise fatales politisches Signal

Die Argumente gegen den Weiterbau der A44 sind ähnliche wie gegen die A49. Ein gesunder Mischwald, der klimaschädliches CO2 binden kann, wird abgeholzt für eine Autobahn, auf der noch mehr CO2- Emissionen freigesetzt werden würden. Agrarflächen und Wiesen, welche ebenfalls CO2 binden könnten, werden versiegelt. Darüber hinaus muss ein Trinkwasserbrunnen für die Zeit des Autobahnbaus stillgelegt werden, der zur Zeit eine wichtige Trinkwasserquelle für die Gemeinde Kaufungen ist.

Aber auch, wenn man diese zusätzlichen Emissionen als unbedeutend im Vergleich zur gesamten Emission in Deutschland bewertet, ist der Bau einer Autobahn angesichts der globalen Klimakrise ein fatales politisches Zeichen. In seiner jüngsten Pressemitteilung stellt das Bündnis „Keine A44” fest: “Die anhaltende Umweltzerstörung durch Straßenbau muss beendet werden und ein Zeichen für die Dringlichkeit einer ökologisch nachhaltigen und sozial gerechten Verkehrs- und Mobilitätswende gesetzt werden.“

Darüber hinaus ist der Bau der A44 mit ihren vielen Tunneln und Brücken, die notwendig sind, um durch die hügelige Landschaft Nordhessens eine Autobahn überhaupt bauen zu können, sehr teuer. Mit 2,4 Milliarden Euro für 70 km Strecke ist sie damit laut HNA die „teuerste Autobahn der Welt“.

Fahrraddemo zum Waldspaziergang am 31.01.

Planfeststellungsverfahren hat begonnen

Doch im Gegensatz zum Dannenröder Forst wird es noch ein paar Jahre dauern, bis die ersten Bäume im Stiftswald gerodet werden sollen. Gegenwärtig befindet sich das Projekt noch im sogenannten Planfeststellungsverfahren. In einem solchen Verfahren werden die Pläne für ein Bauprojekt wie das der A44 öffentlich gemacht und final festgelegt. In dieser Phase können auch sogenannte Einwendungen gemacht werden. Alle, die durch das Bauprojekt in irgendeiner Weise betroffen sind, können damit ihre Bedenken erörtern und Widerspruch äußern. Im Ideal sollen diese Einwendungen durch die Planfeststellungsbehörde in der Abwägung aller Belange und Interessen berücksichtigt werden und somit in die Planung des Projekts einfließen.

Ein solches Verfahren wurde bereits 2006 zum ersten Mal begonnen und musste aufgrund von zahlreichen Bedenken und Widersprüchen von Kaufunger Bürger*innen abgebrochen werden. Streitpunkt waren damals der Lärmschutz, Auswirkungen auf die Landwirtschaft rund um Kaufungen, Auswirkungen auf zahlreiche ortsansässige Tierarten sowie die Luftverschmutzung durch die damals geplante Streckenführung der A44. Daraufhin wurden die Pläne überarbeitet und nun erneut öffentlich gemacht. Laut dem Regierungspräsidium als zuständiger Behörde sollen die Pläne nach den Osterferien in Kaufungen, Helsa, Niestetal, Lohfelden und Kassel ausgelegt werden. Auf die Frage, wann Bürger*innen ihre Bedenken zu den Plänen mit Einwendungen der Behörde gegenüber äußern können, konnte die Pressesprecherin des Regierungspräsidiums keine eindeutige Antwort geben.

Das Bündnis „Keine A44“ hat bisher mehrere Waldspaziergänge im Stiftswald organisiert, um alle Interessierten über die Auswirkungen des geplanten Autobahnbaus zu informieren. Zuletzt wurden diese Spaziergänge immer mit einer Fahrraddemonstration von Kassel nach Oberkaufungen kombiniert. Das nächste Ziel der Initiative ist, auf die Möglichkeit von Einwendungen aufmerksam zu machen, um so viele Einwendungen wie möglich gegen die A44 zu organisieren.